Es ist hier nicht der Ort, um die verschiedenen Wurzeln des Stiftungswesens im Mittelalter darzustellen. Sicher ist, dass von Anbeginn an zwei Komponenten zusammenspielten: eine religiöse und eine öffentliche. Diese beiden Komponenten spiegeln das Wesen mittelalterlicher Gesellschaft, in der Religion und Realität untrennbar verbunden waren, wider. So verwundert es nicht, dass im Früh- und Hochmittelalter Stiftungen immer mit kirchlichen Institutionen in Verbindung standen, bis hin zu Gründungen von Klöstern und Stiften. Wobei die Empfänger der Stiftungen nicht die bestifteten Institutionen waren, sondern die Heiligen, die nach Anschauung der mittelalterlichen Menschen durch die jeweiligen Institutionen vertreten wurden. Die kirchlichen Institutionen waren es aber auch, die sich vornehmlich der sozialen Probleme annahmen: Sie kümmerten sich um Witwen, Waisen, Alte und Kranke, soweit diese ohne helfenden Familienverband leben mussten. Sie betreuten die Armen und die Fremden. Dabei waren Stiftungen, wie Armenspeisungen o. ä. an bestimmten Tagen per se gottgefällig, brachten dem Stifter aber auch Gebete der Beschenkten für sein Seelenheil. Um derartigen "sozialen" Stiftungen Dauer zu verleihen, war es aber notwendig, sie an Institutionen zu binden, die sowohl die moralische Verpflichtung hatten wie die administrative Kraft, den Stifterwillen dauerhaft zu realisieren und dies waren bis ins späte 12. bzw. frühe 13. Jahrhundert ausschließlich geistliche Institutionen.
Der gewaltige Reichtum der Regensburger Bürger ermöglichte es ihnen
bis weit ins Spätmittelalter den traditionellen kirchlichen Institutionen
erhebliche Stiftungen zukommen zu lassen, parallel dazu aber begannen nun einzelne
Familien oder Personen Stiftungen zu begründen, die sich besonders um Arme,
Kranke und Reisende kümmerten. Bei den Stiftungen des 13. und 14. Jahrhunderts
behielten sich die Gründerfamilien ursprünglich die Kontrolle über
die neuen Institute vor, seit dem 15. Jahrhundert wuchs der Einfluss des städtischen
Rates erheblich und am Ende dieses Jahrhunderts gab es de facto keine vom Rat
unabhängige bürgerliche Stiftung mehr.
Das 13. und 14. Jahrhundert sahen zahlreiche Stiftungen, die zum Teil weder
in ihrer Funktion noch Lage, noch Ausstattung genauer nachzuweisen sind: Die
Seelhäuser der Sittauer, Ingolstätter und Woller, die Seelhäuser
bei St. Ägidien, bei St. Alban, bei St. Leonhard, in der Sebaldgasse und
in der Weintingergasse und schließlich ein nicht lokalisiertes Hl.-Geist-Spital
und ein zu St. Mang gehöriges Siechenhaus am Regen.
W ährend diese Stiftungen irgendwann im 15. Jahrhundert verschwanden, vermutlich
nach dem Aussterben der sie schützenden Familien, überdauerten jene
Stiftungen, die frühzeitig in irgendeiner Form an die Stadt gekommen waren.
Gänzlich anders verliefen die Entwicklungen bürgerlicher Stiftungen
des 15. Jahrhunderts. Hier waren dem Rat bereits kraft Stiftungsurkunde gewichtige
Mitspracherechte eingeräumt, die er bereits in den Frühphasen der
Stiftungen nutzte. So wurde die 1419 von Stephan Notangst gegründete Bruderhausstiftung
am Haidplatz und die 1437 von Hans Kastenmair zwischen Oberer Bachgasse und
Wahlenstraße eingerichtete Bruderhausstiftung in einem neuerworbenen Anwesen
am Emmeramsplatz/Obere Bachgasse zusammengefasst. Dieses Bruderhaus bildete
den Grundstock für das spätere Evangelische Bruderhaus.
Die hier aufgeführten Einzelfälle lassen deutlich erkennen, dass der
Rat der Stadt Regensburg lange vor der Reformation intensiv bemüht war,
möglichst viele soziale, wenn auch religiös motivierte, Einrichtungen
unter seine Verwaltung zu bringen. So verwundert es nicht, wenn in der kaiserlichen
Regimentsordnung des Jahres 1500, dem "Grundgesetz" der zukünftigen
Ratsverfassung, sechs Almosenpfleger vorgesehen waren. Die Errichtung des Almosenamtes
1531 oder 1532 und dessen weiterer Ausbau bildete die logische Weiterentwicklung
der Verhältnisse in den davor liegenden Jahrzehnten.